Allein!

Es ist Montag, 13.30 Uhr, ich sitze auf dem Sofa und höre: nichts. Stille. Kein Kinderradio, aus dem «Drei Chinesen mit dem Kontrabass» oder «Die Affen rasen durch den Wald» plärrt, kein Bobbycar, der mir in die Hacken rast, kein Baby, das brüllt, weil es bereits zwei Stunden nichts zu Essen gekriegt hat, kein «Maaaaaamiiiiiii, chuuuuummm!!!» – einfach nur Ruhe. Herrlich. Ich liebe schlafende Kinder!
Überdies stelle ich fest; es stinkt nicht nach Kackwindeln, ich habe keine Kotze auf dem Pulli und keinen Brei im Haar, ich bin geduscht und angezogen und habe heute noch kein einziges Mal die Nerven verloren. Zudem war ich am Morgen bereits auf der Post, habe eingekauft, Wäsche gewaschen, den Geschirrspüler ausgeräumt, Staub gesaugt und die Dusche entkalkt. Heute bin ich Superhero. So ausgezeichnet funktioniert’s nur selten.
Denn ganz ehrlich: Der Alltag mit zwei Kleinkindern überfordert mich in der Regel masslos. Bis die zwei Buben und ich sauber, satt und warm angezogen für einen Spaziergang zum Supermarkt bereitstehen, vergehen Stunden des Terrors. Denn während der eine noch bockt, weil ich ihn bei Minusgraden nicht in den Finken und dem Feuerwehr-T-Shirt mitnehmen will, brüllt der andere bereits, weil ihm im winddichten Schneeanzug die Schweissperlen auf der Stirn stehen. Sind wir dann endlich alle bereit und einigermassen bei Laune, hat bestimmt schon wieder einer eine volle Windel oder spontan keine Lust, die Wohnung zu verlassen.
Wie oft hätte ich schon gerne gesagt «macht den Scheiss doch alleine» und mich auf einen gemütlichen Ego-Nachmittag in die Stadt verzogen. Etwas Shopping, dann ins Kino oder mal wieder etwas Kunst geniessen – ich hätte da einige gute Ideen. Stattdessen ist mein seltenes Highlight diese eine Stunde nach dem Mittagessen, wenn ich es denn geschafft habe, beide Buben gleichzeitig in den Schlaf zu mästen. In dieser Stunde schleiche ich auf Zehenspitzen durch die Wohnung und betätige unter gar keinen Umständen die Klospülung. Wehe dem, der an der Haustür klingelt oder es wagt, mich anzurufen!
Neulich war ich kurz allein zu Hause. Ganz. Allein. Ich war sechs Monate nicht mehr allein. Nie. Nirgendwo. Einen kurzen Moment lang war ich etwas überfordert mit der unverhofften Freiheit. Dann legte ich eine alte Schallplatte auf und drehte die Lautstärke aufs Maximum, so dass ich das fehlende Kinderlachen nicht mehr hörte und auch nicht mein schlechtes Gewissen, das mir ständig im Nacken sitzt und mir sagt, dass ich als Mutter die Zeit mit den Kindern immer total schön finden muss und dass es unnatürlich ist, allein sein zu wollen. Es war herrlich! Ich tanzte durch die Wohnung wie eine Irre und fühlte mich frei und ein wenig wie früher.
Dreissig Minuten später plärrte wieder das Kinderradio. Und ich sang fröhlich mit den Buben: «Drieee Chinisin mit dim Kintribiss, gingin if die Strissi ind irziehltin sich wis…». Es ist eben doch gut, hin und wieder ganz allein zu sein.
Dieser Beitrag wurde am 7. Januar 2019 um 14:43 veröffentlicht und ist unter Babykram abgelegt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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