40

Es ist soweit, die Tage meiner Dreissigerjahre sind gezählt. Jänu, denke ich mir einerseits, das geht allen irgendwann mal so, falls sie die Pubertät, die Ausbildungskrise, die Arbeits- und Schaffenskrise, die Wohn-Krise, die exzessiven One-Night-Stand und Affären-mit-verheirateten-Typen-Krise, die damit verbundenen unausweichlichen Beziehungskrisen mit den darauf folgenden Lebens- und Sinnkrisen und die Familienplanungskrise mehr oder weniger erfolgreich hinter sich gebracht haben. Ich kann mit Stolz sagen: sämtliche Phasen intensiv durch- und überlebt! Einerseits.
Andererseits frage ich mich auch: Darf ich denn nun noch kurze Hosen tragen oder Wörter wie «geil» und «Scheisse» benutzen? Darf ich noch an Konzerte gehen, an denen ich den Altersdurchschnitt in die Höhe treibe? Darf ich noch in den Tag hineinleben und keinen Karriereplan haben? Darf ich noch tun und lassen, was mir Spass macht? Die gute Nachricht ist, dass ich dank einwandfreier Erbmasse meiner Mutter, die mit 74 noch nicht weiss, wie sich Zellulite anfühlt, immer noch kurze Hosen tragen darf. Ich darf sogar einen Bikini tragen, auch wenn es an manchen Stellen runzelt und hängt, an anderen quillt und wabbelt.
Denn so sieht es aus, wenn man neben Matur, Autoprüfung und Ausbildung auch einen Haufen an Beziehungen hinter sich gebracht hat, inklusive durchweinten Nächten, einsamen Tagen, Selbstzweifeln und Zukunftsängsten. Wenn man Krankheiten und Todesfälle erleben musste und zudem ein Kind austragen und in unvorstellbaren Schmerzen aus einem eigentlich viel zu engen Becken pressen durfte. Es nennt sich Leben und das geht nicht spurlos an einem vorbei. An niemandem. Zum Glück.
Doch nun ist die Zeit gekommen, mir und meinem Körper mehr Achtsamkeit zu schenken. Ich will netter sein zu mir, nachgiebiger, versöhnlicher. Wenn ich keine Lust habe auf Smalltalk, auf Putzen, auf stilles Wasser oder darauf, mir den grauen Haaransatz nachzufärben, dann lasse ich es bleiben. Bei einem schlechten Film werde ich künftig aus dem Kino spazieren, öde Monologe werde ich unterbrechen, energieraubenden Menschen aus dem Weg gehen, langweilige Bücher ungelesen ins Altpapier verbannen. Ich werde mich weder joggend durch den Wald quälen, wenn mir eine Stunde Entspannung auf dem Sofa viel besser täte noch einen Salat essen, wenn ich eigentlich lieber Spaghetti hätte. Ich werde lieben, lästern, fluchen und tanzen. Ich werde weiterhin in Regenpfützen hüpfen, mir die Fingernägel schwarz lackieren, die Helium-Ballone meines Sohnes inhalieren und mich dabei kaputtlachen, Klatsch- und Tratsch-Zeitschriften durchblättern und böse Texte schreiben, wenn mir danach ist. Ich darf mir eine gewisse Unverfrorenheit mit 40 nun nämlich offiziell leisten, ätsch.
Schluss mit der weiblichen Selbstkasteiung. Happy Birthday!
Dieser Beitrag wurde am 19. Juli 2017 um 18:20 veröffentlicht und ist unter Falten, Speck & graue Haare abgelegt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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