Glanz und Gloria
«Ich bin manchmal ein bisschen tickismickis», kicherte eine junge Dame mit künstlichen Haaren, künstlichen Wimpern und künstlichen Fingernägeln kürzlich auf einem der deutschen Hartz-4-TV-Sender, und meinte frei übersetzt vermutlich «schickimicki»; aufgetakelt, hochnäsig, eingebildet. Meines Erachtens war sie eher ein wenig unsicher, unbeholfen und e bitz doof, halt. Unter «schickimicki» verstehe ich etwas anderes. Seit einer dieser Glanz-und-Gloria-Partys, an der ich kürzlich bedauernswerterweise teilnehmen musste, löst dieser Begriff in meinem Gehirn nur noch das Bedürfnis aus, mich in grossem Strahl zu übergeben.
Samstagabend, das Jubiläum irgendeines Schweizer Cervelat-Prominenten steht an, wahlweise Bachelor, TV-Moderator, Fussballspieler, sprich niemanden interessiert’s, Freunde hat er offenbar nicht so viele, daher muss er Krethi und Plethi und vor allem: die Presse einladen. Ich gehöre an diesem Abend zu Krethi und Plethi und muss mich stark überwinden, das erste Wochenende ohne Kind für einen solchen Anlass herzugeben, wo ich doch entspannt zu Hause rumgammeln könnte. Ganz klar, dieser Abend ist für mich ähnlich erfreulich wie das Auftragen von Hämorrhoiden-Salbe oder das Ausfüllen meiner Steuererklärung, die ich notabene tatsächlich endlich ausfüllen müsste, doch stattdessen mache ich mich so schick wie nötig und setze mein künstlichstes Lächeln auf, in der Hoffnung, dass es mir in den kommenden Stunden nicht einfrieren möge.
Chancenlos. Gleich bei der Begrüssung läuft’s mir kalt über den Rücken: Ich erhasche ein Luft-Bussi links und ein Luft-Bussi rechts, im Blick hat der Gefeierte jedoch bereits die rattenscharfe Latina, die hinter mir in der Gratulantenreihe steht. Meinen Glückwünschen kann er, ausgestattet mit der Aufmerksamkeits-Spanne eines Zwerghamsters, nicht folgen, meinen Namen hat er eh längt vergessen. Ich hechte umgehend an den Cüpli-Stand – der Abend verspricht lang zu werden. Furchterregend lang. Zwischen Bruschette und Tandoori-Spiessen ducke ich mich abwechselnd vor den Fotografen der Schweizer Illustrierten und den Kameras diverser Fernsehstationen, die offensichtlich alle bereits akut am Sommerloch leiden.
Als ich schon ein nettes Damenräuschchen beisammen habe, beginnen die Laudatien auf den ehrenwerten Jubilaren, sein Leben, sein Schaffen, seine Glorie – man könnte meinen, Nelson Mandela oder Mutter Theresa hätten zur Party geladen. Ich halte mich am Stehtisch fest und konzentriere mich gedanklich auf den Krieg im Nahen Osten, nur um nicht in schizophrenes Gelächter auszubrechen. Es ist dieser irre Grössenwahn, der mich zur Verzweiflung bringt. Gepaart mit der Mediengeilheit spricht für mich alles für einen furchtbar verhunzten Charakter. Die abertausenden von Franken für diese grauenvolle Party hätte sich der Gratulant sparen oder noch besser; sinnvoller ausgeben können. Einfach dem nächsten Strassenmusikanten in den Hut werfen, zum Beispiel. Stattdessen stand er mit mutmasslicher Erektion vor den Objektiven der Presse und wird noch seine Urenkel mit den grauenvollen Details dieses tristen Abends langweilen.
Ich meinerseits habe – spätestens nachdem ich mit Schrecken die glorifizierende Medienberichterstattung zur Kenntnis genommen habe – solchen Anlässen für alle Zeiten abgeschworen. Ich steh dazu: Ich bin vom Typ her mehr so Wurst und Brot. Sprich: Hinz und Kunz oder eben Krethi und Plethi. Glanz und Gloria kann mich mal.
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12 Jun
Dieser Beitrag wurde am 12. Juni 2017 um 18:26 veröffentlicht. Er wurde unter
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