Mathematik
Es ist 3.15 Uhr. Der Sohn hat Hunger. Weiss der Geier, wie er um diese Uhrzeit etwas anderes als Schlaf im Sinn haben kann. Ich füge mich dem Schicksal des Muttertiers und schäle mich mit schweren Gliedern aus dem Bett, um ihm Spiegeleier mit Speck zu braten oder so ähnlich. Schwer liegt er während des Stillens in meinen Armen und ich muss höllisch aufpassen, dass mein todmüder Körper ein Minimum an Spannung bewahrt, damit ich das Kind nicht fallen lasse. Solls ja immer wieder geben, sowas, aus absolut nachvollziehbaren Gründen.
Um 3.40 Uhr liege ich wieder im Bett. Laut meinen in solchen Situationen gerne angestellten Berechnungen habe ich bereits 4 Stunden und 15 Minuten Schlaf hinter und bestenfalls noch 2,5 Stunden Schlaf vor mir, bevor das Kind mich fröhlich brabbelnd spätestens um 6.30 Uhr wecken wird, weil es sich unbändig auf den neuen Tag freut und dies ungeachtet der Uhrzeit lautstark kundtut. Schlaf-Ausbeute von dieser Nacht: 6 Stunden und 45 Minuten. Vorausgesetzt, ich schlafe spätestens um 4 Uhr wieder ein.
Früher, als mein Schlaf den Namen noch verdient hat, brauchte ich mindestens acht Stunden, um am Tag zu funktionieren. Heute ist alles, was sieben Stunden übersteigt, ein Segen. Nicht am Stück, natürlich, seit bald sechs Monaten habe ich keine einzige Nacht mehr am Stück geschlafen, mindestens einmal stehe ich immer auf, aber das ist halt so, hab ich mir sagen lassen, das kann auch noch mehrere Monate oder Jahre so weitergehen. Aber hey, Schlaf wird auch komplett überbewertet und Augenringe lassen sich mit Concealer ganz prima wegretuschieren.
Ich liege also im Bett und rechne und wälze mich und lausche den Geräuschen der Nacht – es ist still. Absolut still. Oder doch nicht? Hat jetzt gerade eben der Kleine gehustet? Nein, ich glaub doch nicht. Ich muss unbedingt dran denken, morgen frischen Brei zu kochen. Und einen Babysitter für Samstagabend muss ich noch organisieren und ab nächster Woche geht’s dann wieder ins Büro… Da, Schritte im zweiten Stock, wieviel Uhr ist eigentlich? Halb fünf. Wenn ich jetzt auf der Stelle einschlafe, kann ich’s noch auf 6 Stunden und 15 Minuten Schlaf schaffen.
Da, wieder was, jetzt hab ich’s aber gehört, der Kleine ist wach! Nein, war nur das Rauschen in meinem Kopf. Ziemlich laut, da drin. Und warm ist es – ich schieb mal die Decke etwas zur Seite. Noch ein Lagewechsel nach links. Nein, vorhin auf dem Rücken war besser. Und jetzt ist’s wieder zu kalt, also Decke wieder hoch. Wie viel Uhr ist jetzt nochmal? 5 Uhr. Kurze Neuberechnung meiner maximal möglichen Schlafzeit: 5 Stunden und 45 Minuten. Hui. Jetzt muss ich aber echt einschlafen!
Es ist 6 Uhr früh, als ich in eine schlafähnliche Trance verfalle und von fiesen, schleimigen Kreaturen träume, die meine Beine hochkriechen. Um 6. 30 Uhr höre ich fröhliches Geplapper aus dem Nebenzimmer. Ich verzichte an dieser Stelle auf die Schluss-Berechnung meiner effektiven Schlafzeit. Der Tag ruft und er ruft fröhlich. Und ich schwöre mir: Wenn ich bis heute Abend nicht ins Erschöpfungs-Koma gefallen bin, geh ich um 7 Uhr ins Bett. Ok, spätestens um 8. Und dann noch ein wenig lesen, maximal eine Stunde. Und wenn ich dann um 9 schlafe, vielleicht zwei Stunden bis zur nächsten Fütterung, dann nochmal vier, dann sind’s schon sechs…
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