Freitagabend, nix los. Herrlich. Ich könnte nackig durch die Wohnung tanzen. Alte Schallplatten hören und lauthals mitsingen. Wein trinken. Aber nein, der Teufel reitet mich und ich schiebe eine DVD rein. Mädchenfilm. Will garantiert kein Kerl sehen, weil: Amerikanische Schnulze. Ämääända liebt Tscheissen und Tscheissen liebt Ämääända. Alles rank und schlank, knackig und durchtrainiert, die beiden turteln und kuscheln was das Zeug hält. Ein erstes Kribbeln im Bauch macht sich bei mir bemerkbar, als Tscheissen die Ämääända zum ersten Mal küsst. Leichte Gänsehaut, als er sein T-Shirt lasziv langsam über den Kopf zieht. Grrrr, diese (aufgemalten?) Bauchmuskeln…
Doch dann schlägt das Schicksal zu. Üble Sache, echt. Tscheissen muss in den Knast. Blödes Missverständnis, weil er ist doch eigentlich ein Guter (und überdies ein Schöner). Sanftmütig, verständnisvoll (einwandfrei rasiert, und diese Aaaugen…). Und weil er Ämääända doch so liebt, will er natürlich nicht, dass sie sein Leben für ihn aufgibt. Sie besucht ihn trotzdem jeden Tag im Gefängnis, ein ganzes Jahr lang, aber er will sie nicht sehen. Die ersten Tränen kullern über meine Wangen. Was für eine Dramatik!
Dann, zwanzig Jahre später, sehen sich die beiden wieder. Mein Puls erhöht sich. Sie sind nun kurz vor 40. Natürlich noch ranker und schlanker und durchtrainierter und begehrenswerter als je zuvor und – wer hätte das gedacht – sie haben nie aufgehört, sich zu lieben! Wie schön ist das denn?! Ok, Ämääända wehrt sich ein wenig gegen ihre Gefühle, schliesslich ist sie verheiratet (mit einem Arschloch) und hat einen Sohn, aber es nützt alles nix. Die beiden müssen sich wieder küssen und auch vögeln und ich geh ab wie eine Rakete (und ich schäme mich!!!). Als Tscheissen dann blöderweise angeschossen wird und gleichzeitig Ämääändas Sohn einen Unfall hat und ein Spenderherz braucht und – welche Fügung! – das Herz von Tscheissen in den Sohn von Ämääända eingepflanzt wird, kann ich mich nicht mehr halten. Ich schniefe und rotze und die Wimperntusche tropft mir aufs Dekolleté.
So. Und nun sitze ich mit glänzenden Äuglein auf dem Sofa und frage mich, weshalb eine komplett bescheuerte, billigen Schnulze bei mir mehr als Müdigkeit und Durst auslöst. Und weshalb meine eigenen Lebens-Dramen bei mir zwar zu hohem Blutdruck, nicht aber zu ekstatischen Heulkrämpfen führen. Ich werde diesen Punkt (und ein paar weitere) irgendwann mal mit einem Psychologen besprechen. Doch nun warte ich darauf, dass mein Liebster vom Ausgang nach Hause kommt, damit ich mich ihm mitsamt meinen angestauten Emotionen in die Arme werfen kann.
Bild: Ok, für alle Romantikerinnen, die auch mal zu einem schlechten Film abheulen wollen: er heisst «The Best of Me – Mein Weg zu Dir»