Das Alter ist manchmal ein ganz schöner Depp. Zum Beispiel am Montagmorgen beim ersten Blick in den Spiegel. Oder nach einer Woche Abmagerungskur mit Salat und Bierchen, wenn die Waage 500 Gramm mehr anzeigt als in der Woche davor. Oder wenn ich mal wieder das Tanzbein schwingen möchte. Ich mag nämlich nicht zwischen besoffenen Primarschülern zu Hip Hop bouncen. Und die Drum’n’Bass-Partys der wilden 2000ender sind mir zuwider. Salsa liegt mir nicht so. Und House fand ich schon immer schrecklich.
Pure Verzweiflung trieb mich kürzlich an eine Ü-40-Party. Meine Erwartungen waren tief und sowieso war ich todmüde und nicht in Tanzlaune und wäre am liebsten daheim vor der Glotze liegen geblieben. Aber nichts da, dachte ich mir, ein bisschen Spass muss sein und will verdient werden. Erstaunlicherweise stand ich bereits um kurz nach neun vor dem Eingang zum Tanzlokal in einer beachtlichen Warteschlange, während ich drinnen die Meute zu «Kiss» von Prince toben hörte. Die Tatsache, dass ich mit Abstand die Jüngste in der Schlange war, trieb mir eine nervöse Röte ins Gesicht – hätte ja sein können, dass ich mit meinen jugendlichen ü-30 vom Türsteher abgefangen werde.
Nun, dem war nicht so. Meinen Ausweis wollte keiner sehen. Auch nicht an der Bar, wo mir eine 12-jährige einen Caipi mixte mit einem Gesichtsausdruck der besagte: «Guck dir die Alte an, säuft sich einen an und denkt, das macht sie wieder jung.» Was soll’s. Die faltenfreie Püppi brachte mich nicht aus dem Konzept. MC Hammer tat es. Sein «U can’t touch this» fuhr mir auf direktem Weg ins Gesäss – und nicht nur mir. Auch die Treuhänderin oder Versicherungsfachfrau oder Kundendienstmitarbeiterin in den unvorteilhaften roten Hosen stampfte ekstatisch von einem dicken Bein aufs andere. Und eine wild fuchtelnde Dame in altbackenem Jupe fand in MC Hammer ihren Herrn und Meister.
Es war der pure Wahnsinn. Aus vier Jahrzehnten versammelten sich sämtliche Tanzmäuse zur vollkommenen musikalischen Hingabe. Sie hüpften und trippelten, schwoften und drehten wilde Pirouetten. Einige der Geschöpfe kamen back to the future direkt aus den 80ern, inklusive strohig blondierter Mähne und ausgebleichten Jeans, welche knapp unter den Brüsten hingen und tief zwischen den Arschbacken. Eine Augenweide war auch der mutmassliche Physiklehrer, der den ganzen Abend auf der Suche war nach dem Takt – und nach einer Gefährtin für die Nacht. Und dann war da noch der rüstige Rentner, der mit keckem Hüftschwung seine um einige Jahre jüngere Freundin umwarb – wie sich später herausstellte, war er ein Bekannter meiner Mutter. Er fotografierte mich mit seinem Handy, als ich eben an meinem vierten Caipirinha schlürfte.
So läuft’s. Einen Tag später erhielt ich prompt den gefürchteten Anruf meines Muttertiers: «Ich hab gehört, du warst am Samstag nicht mehr ganz nüchtern…». Und schon fühlte ich mich wieder wie 18.
Bild: Christoph Droste / pixelio.de