Ich nehm die weisse Pille, die mir die Schwester mit einem Becher Wasser reicht. Mein Puls erhöht sich. Nun gibt es kein Zurück mehr. Bevor das Medikament, das mich müde machen soll, zu wirken beginnt, ziehe ich hektisch die hässlichen, weissen Stützstrümpfe an und das peinliche, weil hinten offene Nachthemd, das meinen nackten Hintern auf unschöne Art und Weise zur Schau stellt. Wer hat dieses Zeug bloss designt? Egal. Ab ins Bett und warten. Bald kommen zwei Schwestern und schieben mein Bett in Richtung OP. Ein Moment der Ungewissheit. Der Einsamkeit. Der kompletten Ausgeliefertheit. Ich zittere am ganzen Körper.
Vor dem Operationssaal kommt es zum Stau. Ein Spital ist wie ein Flughafen. Die einen kommen, die anderen gehen. Ich warte in der Schleuse. Menschen in grünem Anzug und Mundschutz eilen geschäftig um mich rum. Einer, der mein Kind sein könnte, legt mir einen Zugang, versaut sich das grüne Hemd und mir die Hand. Ich werde nicht müde, ganz im Gegenteil. So hellwach war ich nie. Wach und schlotternd. Man legt mir wärmende Tücher um den Kopf und hält mir ein warmes Gebläse unter die Decke. Netter Versuch, nützt aber nix. «Sie müssen sich nicht fürchten, ist ja nur ein kleiner Eingriff», versucht mich ein grünes Menschlein zu beruhigen. Ich weiss. Sieht aber nicht danach aus.
Endlich, die Startbahn ist freigegeben. Man schiebt mich in den OP. Gleissendes Licht, noch mehr grüne Menschen. Irgendwer schnallt mir ein Blutdruck-Messgerät um, das sich unangenehm um meinen Oberarm presst. Hat hier drin irgendjemand das Gefühl, mein Blutdruck wäre zu diesem Zeitpunkt noch normal? Ist er nicht. 156 zu 108, wen wunderts. Die operierende Frau Doktor wird ausgerufen. Jemand sagt: Die kommt nicht, wir machen’s ohne sie. Hä??? Stopp! Ich will nicht, dass mich ein Auszubildender aufschneidet! Aber ich hab hier nichts zu sagen. «Bitte, schläfert mich endlich ein!», flehe ich einen der Menschen an, die um mein Bett herumwuseln. Erst noch etwas weiter nach unten rutschen und die Arme zur Seite und eine Stange über meinem Gesicht montiert – soll ich hier etwa noch Klimmzüge machen???
«Wie heissen Sie? Wie ist Ihr Geburtsdatum? Weshalb sind Sie hier?» Man versucht sicher zu gehen, dass ich die richtige Patientin für die richtige Operation bin. Ich möchte sagen: «Ich komme zur Brustvergrösserung», lasse es dann aber. Scherze sind hier wenig erwünscht. Dann endlich: Mein Held, der Narkosearzt, setzt mir die Maske auf. «Tief einatmen», weist er mich an. Aber gerne doch. Herr, lass mich schlafen und vergessen. Ich atme. Und atme. Und werde ruhig. Und müde. Und denke: «Geiles Zeug» und möchte plötzlich gar nicht mehr schlafen sondern den Flash geniessen, aber da sind sie auch schon eingefahren, die Drogen, und als ich wieder denken kann, ist die Operation vorbei und ich bin einfach nur unsäglich müde und dankbar dafür, dass ich noch lebe.
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