Ich hab kein Haus. Nicht mal ein Zelt. Mein Auto ist 18 Jahre alt und klappert und ächzt. Auch Kinder hab ich keine und bislang hat mich noch kein einziger Mann gefragt, ob ich ihn heiraten will – was allenfalls daran liegen könnte, dass ich mich jeweils bereits beim ersten Date negativ zum Thema Ehe äussere. Ich bin nicht so der Ehefrauen-Typ, meine ich zu wissen. Nichts desto trotz würde auch ich gerne mal gefragt werden. Bloss: wer stellt schon die Frage aller Fragen, wenn die Antwort sowieso nein ist? Eben.
Mitte dreissig bin ich jetzt bereits. Naja, eher etwas drüber. Karriere hab ich keine, aber immerhin macht mir mein Job Spass und die Kohle reicht für eine renovierte Altbauwohnung und mehr schlecht als Recht für meinen Hang zu teuren Schuhen. Wenn mir jemand ein Kompliment macht, werde ich rot. Wenn mir jemand blöd kommt, fällt mir die treffende Reaktion erst einen Tag später ein. Ich kann nichts speziell gut, dafür vieles so einigermassen. Ich treff die Töne, würde aber niemals bei einem Gesangswettbewerb mitmachen. Ich schlag mich auf Englisch durch und in der Not auch auf Französisch. Ich bewege mich gern und habe Rhythmusgefühl. Ich kann gut zuhören. Aber das ist ja nun auch nichts, womit man die Welt bereichert. Und genau das ist der Punkt.
Ich lebe so langsam aber sicher auf die offizielle Hälfte meines Lebens zu und hab noch überhaupt gar nichts getan, was die Welt auch nur im Geringsten besser oder schöner macht. Klar, ich bin freundlich und hilfsbereit und nett, irgendwie. Aber das ist ja nun auch nichts, wofür man den Nobelpreis verliehen bekommt. Damals, Anfangs zwanzig, hatte ich noch die irre Fantasie, dereinst berühmt zu werden. Irgendetwas so unglaublich gut zu können, dass man mich nach New York einlädt oder nach Hongkong, um mich kennenzulernen und von meinem Wissen zu profitieren. Das hab ich mir unterdessen abgeschminkt. Auch Balletttänzerin werde ich wohl nicht mehr. Und für eine geniale Erfindung fehlt mir die zündende Idee.
Wenn ich morgen sterben würde, dann wäre ich zufrieden und hätte ein gutes Leben gelebt. Wunderbare Orte gesehen, tolle Konzerte gehört, viele Gedanken gedacht, herrlichen Wein getrunken, Glück erlebt und unzählige wunderbare Menschen kennengelernt. Ich hätte geliebt und wäre geliebt worden. Doch die grosse Bühne hätte ich nicht betreten. Das macht mich ein wenig traurig. Nur: vielleicht ist es besser, wenn nicht Hinz und Kunz mit grossem Ego und geringem Output die ganze Welt beelendet. Dürre Models, schlechte Sänger und mühselige Politiker gibt es mehr als genug. Besser still und heimlich glücklich, als am Ende im Dschungelcamp oder beim Bachelor. Und wer weiss? Vielleicht kommt sie mir ja irgendwann noch, die zündende Idee. Ich werde nicht aufgeben. Niemals.
Bild: Bernd Kasper / pixelio.de