Ob ich heute bereits gehässig aufgestanden bin? Nein, nicht dass ich wüsste. Meine morgendlichen Rituale verliefen alle nach Plan. Duschen, Wohnung lüften, Tee kochen, Bett aufschütteln; alles ohne Zwischenfälle. Selbst die risikoreichen Situationen wie der erste Blick in den Spiegel, das Frisieren der Haare oder die Schuh-Auswahl, die mir leicht den ganzen Tag versauen können, verliefen einwandfrei. Ich sah weder besonders zerknittert aus noch war die Wampe grösser als gestern. Meine Haare liessen mich kalt und mit einem Blick ins Schuh-Regal war die entscheidende Kleider-Frage geklärt. Ich kam sogar ohne Schlussspurt, der mindestens ein Mal die Woche meine ganze vorgängige Körperhygiene zur Sau macht, am Bahnhof an. Alles easy. Total entspannt.
Gut, nach zwei Stationen konnte der Zug wegen einem Türdefekt nicht mehr weiterfahren und ich kam eine halbe Stunde später als geplant im Büro an. Aber hey, was soll‘s, es geht bei meiner Arbeit ja nicht um Leben und Tod. Erst als ich auf meinem ergonomischen Rückenkissen sass und der Computer sich in unsäglicher Trägheit hochfuhr, da kroch diese fiese, penetrante Übellaunigkeit von hinten über meinen Rücken bis zum Hals und dann von links und rechts in mein Gesicht, wo sie sich mit grimmigem Blick und bösartiger Schnute festkrallte. Und da sitzt sie jetzt, die Scheiss-Laune, und ich krieg sie nicht mehr weg. Ich möchte mit dem Teekocher auf meinen Bildschirm einprügeln. Ich möchte mit dem Telefonhörer auf meinen Chef einprügeln. Ich möchte mit dem Ordner auf meine wütende Fresse einprügeln.
Doch da – plötzlich kommt mir in den Sinn: Es könnten die Hormone sein. Ein kurzer Blick in die Agenda bestätigt die Vermutung. Was bin ich erleichtert! Hurra, es ist der hormonelle Furor! Mit dem weiss ich umzugehen. Einfach die Mittagspause in einen Shoppingtrip verwandeln und gut ist. Klappt seit über 20 Jahren. Und weg.
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