Zug-Zeug
Bei meinen alltäglichen Bemühungen, mich nicht aufzuregen – das gibt nämlich Falten und graue Haare – scheitere ich immer wieder kläglich. Besonders gut aufregen kann ich mich über die Schweizerische Bundesbahn. Weshalb genau kostet ein Ticket für mein Fahrrad genau so viel wie ein Ticket für mich? Sieben Franken achtzig bezahle ich, wenn ich mein Velo 16 Kilometer weit transportiere, nur damit ich nicht komplett verschwitzt bei der Arbeit ankomme. Zusammen mit meinem Billet macht das fünfzehn Franken sechzig für eine zwölfminütige Reise, die äusserst unkomfortabel ist, denn die SBB hat leider vergessen, Halterungen in ihren neuen S-Bahnen anzubringen und so muss ich während der ganzen Fahrt stehen und mein Velo festhalten und hin und herschieben, damit es niemanden beim Ein- und Aussteigen stört. Verfrachte ich hingegen anstelle meines schlanken, stillen, sauberen Velos einen Zwillingskinderwagen samt brüllenden Blagen in den Zug und blockiere zehn Quadratmeter wertvolle Reisefläche mit meiner Ausrüstung, so kostet mich das keinen Rappen extra, obwohl ich einen ganzen Waggon mit Dreck, Gestank und Lärm belästige. Über eine solche Ungerechtigkeit kann ich mich wirklich ganz fest aufregen.
Aber gerade wenn ich so über das Preissystem unserer SBB nachdenke, kommt mir auch immer die Deutsche Bahn in den Sinn, und das wiederum entlockt mir dann doch ein Lächeln. Die Deutschen, das sind ja wirklich arme Schweine mit ihrem Bahnsystem. Zum einen kannst du dort von Glück reden, wenn ein Zug pünktlich im Bahnhof ein- und dann auch gleich wieder losfährt, zum anderen bin ich mir nicht sicher, ob es in Deutschland auch nur eine Menschenseele gibt, die das Preissystem der Deutschen Bahn im Detail versteht.
«Von Basel nach Frankfurt ist die erste Klasse günstiger als die zweite», erläuterte mir ein Bahnfräulein in adretter Uniform kürzlich fachkundig. «Aber nur wenn Sie vor 10 Uhr reisen und rückwärts fahren. Von Frankfurt nach Basel empfehle ich Ihnen die preiswertere zweite Klasse. Es wäre allerdings noch günstiger, wenn Sie jemanden mitnehmen täten auf die Reise – zu zweit reduziert sich der Preis nämlich um 63, 5 Prozent – eine Sonderaktion an diesem Tag für diese Strecke. Und zur Info; die Reduktion gilt natürlich nur für den Zug um 13.25 Uhr. Sollen Sie denselben Zug eine Stunde früher nehmen wollen, dann kostet das Ticket doppelt so viel. Und ehe ich’s vergesse: Wenn Sie mit einer Gruppe von fünf Personen und mehr unterwegs sind, wird es wieder günstiger, Sie müssten dann allerdings den Umweg über München machen.» Ich bin mir sicher, dass Bahnangestellte in Deutschland einen Master-Studiengang absolvieren, um Fahrplanauskünfte erteilen und Tickets ausstellen zu können.
Da haben wir es in der Schweiz sehr viel einfacher: Es gibt keine Vergünstigungen. Nie. Kommt mir die Idee: Ich sollte mein Velo zukünftig einfach in einen Zwillingskinderwagen betten. Mei, kann ich da Geld sparen und die Leute sind erst noch alle ganz verständnisvoll und bieten mir einen Sitzplatz an.
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