Letzte Nacht habe ich ein Kind bekommen. «Es ist ein Junge!», freute sich die Hebamme, als sie mir das kleine Dings in die Arme legte. «Hallo Jan», dachte ich als erstes. Und dann, ziemlich enttäuscht: «Aber ich hätte viel lieber ein Mädchen gehabt.» Doch Jan grinste mir keck ins Gesicht und das gefiel mir irgendwie. Auch seine vielen schwarzen Locken gefielen mir, denn sie erinnerten mich an Tobi, meine erste grosse Teenager-Liebe.
Also nahm ich Jan mit nach Hause. Und als ich so mit dem Baby im Arm in meine Wohnung kam, realisierte ich, dass ich ja gar keine Windeln da hatte. Und auch keine Babykleider. Und dass in meinem Kühlschrank nur Landjäger, Cola und Bier lagen und dass Jan das vielleicht gar nicht mochte. Doch meine Sorgen waren unbegründet, denn Jan schlief fast den ganzen Tag friedlich auf dem Sofa und wenn er mal kurz die Augen aufmachte, grinste er schweigend in die Runde und schlief dann sofort wieder ein.
«Was machen eigentlich immer alle für einen Stress, wenn sie Kinder kriegen», dachte ich mir, «ist doch komplett entspannt das Ganze und eigentlich ist alles wie früher, ausser dass da jetzt ein kleines Dings auf dem Sofa pennt.» Am Abend, als mir mal wieder in den Sinn kam, dass ich ja nun ein Kind hatte, war Jan bereits kein Baby mehr sondern ein junger Mann, der gerade von der Toilette kam. Stumm grinsend, wie gewohnt.
«Auch gut», dachte ich mir und bereute ein wenig, dass ich keine Fotos von Jan gemacht hatte am Morgen, als er noch ein niedliches Baby gewesen war. Ich hätte doch gerne eine Geburtsanzeige verschickt, um meinen gebärfreudigen Freundinnen zu beweisen, dass selbst ich es nun endlich zu einem Kind gebracht hatte und erst noch zu einem, das immer lacht oder schläft, nie schreit, nie hungrig ist und nie scheisst. Aber nun wo Jan bereits erwachsen war, liess ich das mit der Geburtsanzeige eben bleiben. Es kam, wie es kommen musste. Mein Wecker klingelte und Jan war nur noch eine blasse Erinnerung in meinem trägen Morgenhirn.
Das war’s, liebe Traumdeuterinnen und Traumdeuter, liebes Psychologen-Volk, nun macht euch mal ans Werk.
Bild: Alexandra H. / pixelio.de
Schöner kleiner Text. Träume sind wirr, ich mache da selbst so grade meine Erfahrungen. In meiner letzten Beziehung habe ich mich manchmal selbst wie ein biffiftes Baby verhalten. Mir war wohl ab und zu mehr nach Mutterliebe als Beziehung.
Ich würde mal tippen, Du hattest auch schon einen Freund, der sich zwischendurch gerne mal kleingemacht hat und eben nicht Mann war, nicht stark und selbstbewusst. Sondern das bekiffte Baby Jan. Möglich?
Gruß, Franzl.
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das, lieber Franzl, nenn ich mal eine spannende Traumdeutung! hab ich mir so nie überlegt, trifft den Nagel aber auf den Kopf – danke!
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Ha! Dann freue ich mich darüber eine kleine Erkenntnis geliefert zu haben! Halt die Ohren steif.
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