Ich weiss nicht mehr, wie ich dazu kam, aber vor vielen Jahren verkündete ich meiner besten Freundin einmal in jugendlichem Übermut: «Wenn du eine Blume wärst, dann wärst du eine Tulpe.» Sie war zutiefst beleidigt. Tulpen waren für sie fleischig, plump und langweilig. Sie wäre lieber eine Rose gewesen. Aber ehrlich gesagt: Sie ist keine Rose. Sie ist – bis heute – die perfekte Tulpe. Während Rosen nämlich zickig sind, etwas arrogant und selbstverliebt, sind Tulpen optimistisch, unbekümmert und sympathisch. Beim Anblick von Tulpen spüre ich den Frühling. Ich liebe Tulpen. Und ich freue mich jedes Jahr wie verrückt über den ersten bunten Tulpenstrauss auf meinem Esstisch. Wer mir Tulpen schenkt, hat gewonnen.
Meine Freundin hingegen mag keine Tulpen. Zudem hat sie mein Tulpen-Kompliment bis heute nicht verdaut. In regelmässigen Abständen gibt sie mir zähneknirschend zu verstehen, dass sie ja eh nur eine Tulpe sei, also quasi komplett unbegabt und hässlich und nichtig. Vermutlich werde ich für den Rest meines Lebens mit dem Vorwurf leben müssen, ihr Selbstwertgefühl zerstört zu haben. Nun gut, Dinge geschehn. Ich werde mich jedenfalls hüten, ihr je einen Strauss Tulpen als Geschenk mitzubringen. Aber vielleicht versuche ich es mal mit einem langweiligen, stachligen Strauss Rosen.
Bild: Francesca Schellhaas / photocase.com