Auf Entzug

Zwei Wochen ist es nun her seit meiner letzten Zigarette und meinem letzten Glas Wein. Weil wenn ich nicht mehr rauchen soll, darf ich auch nicht mehr trinken, so meine logische Schlussfolgerung. Zumindest in der ersten Zeit, in der die Rückfallgefahr noch so hoch ist. Nun bin ich also so nüchtern wie ich es die letzten 20 Jahre nicht mehr war und demzufolge ist mein Blutdruck, der zuvor so bedenklich hoch war, dass meine Frauenärztin mir die Hormone verboten hatte, wieder komplett normal. Weniger normal sind dagegen meine Stimmungsschwankungen und meine Lust auf Süsses. Ich, die ich normalerweise mehr der ausgeglichene Landjäger- und Essiggurken-Typ bin, futtere zur Zeit in manischer Art und Weise Gummibärchen, Schokolade und Fasnachtsküechli. Nach dem Essen habe ich natürlich Lust zu rauchen und werde aggressiv, weil das ja nicht geht.
Vor zwei Tagen habe ich am Feierabend eine Zigarette im Fussraum meines Autos gefunden. Da lag sie, meine vor kurzem noch so geliebte Parisienne, einsam und ein wenig zerquetscht unter dem Gaspedal und flüstere mir zu: «Zünd mich an, entspann dich, das hast du dir nach diesem Arbeitstag verdient!» Nach kurzem Zögern schnupperte ich am Tabak, steckte mir die Zigi in den Mund, kramte in der Tasche nach einem Feuerzeug und rief mir in letzter Sekunde den Nichtrauch-Ratgeber in Erinnerung: Bei Lust auf eine Zigarette: Sport machen! Also ging ich joggen. Und fragte mich dabei, ob die Leute, die solche Ratgeber veröffentlichen, tatsächlich wissen, wovon sie schreiben.
Zwar habe ich nach einer sportlichen Aktivität tatsächlich keine Lust zu rauchen, doch wenn ich beim nächsten Hype auf eine Zigarette im Büro sitze – was sehr wahrscheinlich ist, da ich einem Vollzeit-Broterwerb nachgehe – werden mir meine Kolleginnen vermutlich kaum sagen: «Geh mal lieber kurz eine Runde laufen, wir erledigen die Arbeit gerne für dich». Stattdessen werden sie mich freudig strahlend nach draussen begleiten, mir von allen Seiten Zigaretten und Feuerzeuge entgegenstrecken und schadenfreudig denken: Schon wieder eine, die fünf Kilogramm zugenommen hat und innerhalb kürzester Zeit rückfällig geworden ist. Ich weiss doch, wie’s läuft. Ich war ja vor kurzem selber noch eine von ihnen.

Bild: Marianne J. / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde am 13. Januar 2014 um 16:23 veröffentlicht. Er wurde unter Falten, Speck & graue Haare abgelegt und ist mit , , , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

Dein Kommentar freut mich, sweetheart!

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: